Sunniten

Die sunnitischen Muslime stellen die Mehrheit innerhalb des Islams. Innerhalb von dreißig Jahren nach dem Tod des Propheten kam es zur Auseinandersetzungen darüber, wie der Nachfolger des Propheten, der Kalif, bestimmt werden sollte. Eine große Mehrheit schlug vor, dass die „Ältesten“ ihn nach einer Wahl und der Zustimmung innerhalb der Gemeinschaft, wie dies in der Wüste Tradition war, ernennen sollten, Sunnah (Sunna) bedeutet Tradition, Brauch oder Übung und wird im Sinne der Sunnah des Propheten Mohammed, in seinem Sprechen, Tun oder in seiner stillschweigenden Zustimmung benutzt. Die Personen, die dieser Ansicht folgten, wurden Sunniten genannt. Die Anhänger der Sunnah lehnten im siebten Jahrhundert den dynastischen Machtanspruch der Nachkommen von Mohammeds Cousin und Schwiegersohn Ali auf die Leitung der Gemeinde ab.

Die Islamisierung des Libanon begann kurz nach dem Tod des Propheten im Jahr 632. Während die gebirgige Topographie des Libanon dafür sorgte, dass auch kleine Religionsgemeinschaften überleben konnten, traten die meisten Bewohner der Küstenebene zur neuen Religion über. Auch heute noch sind die Küstenstädte Tripoli, Saida (Sidon) und Beirut sunnitische Hochburgen.

Aufgrund ihres gemeinsamen sunnitischen Glaubens gab es immer Möglichkeiten der Zusammenarbeit der Sunniten mit Invasionstruppen, angefangen von den Zeiten der Mamelukken im 12. Jahrhundert bis in den Bürgerkrieg. Die Sunniten verloren 1920 mit der Einrichtung des Groß-Libanon ihre Funktion als staatstragende Gruppe. Sie waren zwar nummerisch die zweitstärkste Bevölkerungsgruppe, jedoch unzufrieden mit der Loslösung von Syrien und der Eingliederung in den künstlich geschaffenen, maronitisch-französisch dominierten Staat. Sie befürchteten dadurch die Gefahr der Beherrschung durch Nichtmuslime und die permanente Trennung von der arabisch-muslimischen Welt. Durch die Fortsetzung des Konfessionalismus sollten die Befürchtungen der Muslime – und vor allem der Sunniten – in einem christlich dominierten Staat leben zu müssen, zerstreut werden. Deshalb wurde in Artikel 95 der Verfassung eine angemessene Berücksichtigung der verschiedenen Religionsgemeinschaften bei der Besetzung politischer und administrativer Ämter entsprechend der jeweiligen Bevölkerungsgröße als vorläufige Maßnahme festgelegt. Dadurch wuchs die Bereitschaft, den Staat zu akzeptieren. Nach der formalen Unabhängigkeit des Landes 1943 wurde in einem ungeschriebenen Abkommen (dem Nationalpakt) zwischen dem maronitischen Staatspräsidenten und dem sunnitischen Premierminister vereinbart, sowohl den arabischen Charakter des Landes als auch die Offenheit gegenüber dem Westen beizubehalten. Diese Festschreibung der politischen Machtverhältnisse, die die Bevölkerungsentwicklung und damit die Verschiebung der Anteile der einzelnen Religionsgemeinschaften innerhalb der Bevölkerung nicht berücksichtigte, trug dazu bei, dass sich kein echtes Zusammengehörigkeitsgefühl bei allen Bewohnern des Landes entwickelte. Im Ergebnis zogen sich die Sunniten, wie auch andere Gemeinschaften, in ihre eigene Religionsgemeinschaft zurück. Dieses Phänomen ist auch heute noch in der libanesischen Politik zu beobachten. So sind die Ausrichtungen der Parteien oder die Auswahl und Wahl der Parlamentarier nicht ausschließlich von politisch unterschiedlichen Gesichtspunkten, sondern weitgehend von religiösen oder ethnischen Vorstellungen geprägt.